Louisa Specht-RiemenschneiderEinigung auf neue Bundesdatenschutzbeauftragte

Nach langem Hin und Her und einem vielkritisierten Auswahlprozess soll die Bonner Professorin Specht-Riemenschneider neue Bundesdatenschutzbeauftragte werden. Sie folgt auf Ulrich Kelber.

Louisa Specht-Riemenschneider
Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider (Archivbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Metodi Popow

Nach einem verkorksten Auswahlverfahren, das für Unmut unter zivilgesellschaftlichen Organisationen gesorgt hatte, hat die Bundesregierung sich auf eine Nachfolgekandidatin für den bisherigen Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber geeinigt. Auf den SPD-Mann Kelber, der seit 2019 das Amt innehatte, soll demnächst die parteilose Professorin Louisa Specht-Riemenschneider folgen. Kelber ist noch bis maximal Anfang Juli kommissarisch tätig. Er hätte gerne weitergemacht, wurde aber offenbar von der SPD nicht weiter gehalten.

Die 1985 geborene Professorin für Bürgerliches Recht sowie Informations- und Datenrecht an der Universität Bonn war und ist bereits im Dienst der Bundesregierung. So ist sie derzeit Vorsitzende des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen beim Umweltministerium (BMUV) und war Vorsitzende des Digitalbeirates beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und Mitglied der Gründungskommission des Dateninstituts. Mit ihr folgt eine ausgewiesene Datenschutz- und Datenrechtsexpertin auf den Informatiker Kelber.

Louisa Specht-Riemenschneider hat laut der Uni Bonn Rechtswissenschaft an der Universität Bremen studiert und im Jahr 2011 mit der Schrift „Konsequenzen der Ökonomisierung informationeller Selbstbestimmung – Die zivilrechtliche Erfassung des Datenhandels“ an der Universität Freiburg promoviert. Für diese Arbeit erhielt sie den Wissenschaftspreis der Deutschen Stiftung für Recht und Informatik. Nach ihrer Habilitation zum Thema „Diktat der Technik – Regulierungskonzepte technischer Vertragsinhaltsgestaltung am Beispiel von Bürgerlichem Recht und Urheberrecht“ erhielt sie im Jahr 2018 einen Ruf an die Universität Bonn, wo sie bis heute lehrt.

Minister will „ermöglichenden Datenschutz“

Zu der Berufung, bei der Grüne und FDP das Vorschlagsrecht hatten, twitterte Justizminister Marco Buschmann, dass er sie „für einen exzellenten Vorschlag“ halte. „Sie ist eine herausragende Expertin auf dem Gebiet des Datenschutzes und der Rechtsinformatik und besitzt alle Eigenschaften, um das Amt glänzend auszufüllen“, so Buschmann weiter. Er sorgte allerdings mit dem Tweet für Kritik, weil über die Personalie das Kabinett befinden muss und er als Minister nicht zuständig ist.

Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing verbindet mit der Wahl von Specht-Riemenschneider nun einen „ermöglichenden Datenschutz“, das Land brauche eine „neue offene Datenkultur“, so der Minister in einer Presseerklärung. Mit Louisa Specht-Riemenschneider sei eine ausgewiesene Expertin im Bereich Datenschutz und Datenpolitik nominiert worden, mit der er in der Vergangenheit bereits sehr gut und pragmatisch zusammengearbeitet habe.

Der EU-Piratenabgeordnete Patrick Breyer freute sich über die Wahl einer „qualifizierten neuen Bundesdatenschutzbeauftragten“, kritisiert aber das Auswahlverfahren. Dieses müsse sich dringend ändern, so Breyer auf Mastodon. Der ehemalige D64-Vorsitzende Henning Tillmann spricht im Bezug auf die neue Bundesdatenschutzbeauftragte von einer „großartigen Wahl“.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

17 Ergänzungen

  1. Oh, lese den Artikel und sehe, ich bin erwähnt. Sie ist in der Tat eine großartige Wahl, obgleich ich mir natürlich auch eine zweite Amtszeit von Ulrich Kelber gewünscht hätte.

    Viele Grüße
    Henning Tillmann (mit Doppel-N) 😋

  2. Aktuell sind wir noch ganz weit entfernt von Datenschutz. Ich war heute mit m Webbroswer auf einer Seite und habe dort eine Person gesehen die ich zuvor noch nie gesehen habe. Gerade eben auf Instagram wurde mir genau diese Person vorgeschlagen. Das ist gruselig. Obwohl Apple mir verspricht dass ich über Private R. nicht trackbar bin. Ist das erlaubt?

    1. Ohne das genau zu kennen: Private Relay gibt Ihnen eine andere IP-Adresse, aber schützt nicht vor anderen Tracking-Methoden wie Cookies, etc.

      1. Server-side tracking is a method of collecting and processing user data from web and mobile applications directly on the server rather than on the client’s device, such as a browser or mobile app. This approach contrasts with client-side tracking, where data is collected and processed on the user’s device before being sent to the server.

        Server-side tracking offers several advantages over client-side tracking, including improved data accuracy, increased data privacy and security, and reduced reliance on browser cookies.

        https://sarasanalytics.com/blog/server-side-tracking/

  3. „ermöglichenden Datenschutz“

    Diese Euphemismen und vernebelt freudschen Generatorenausgaben sollte beim Wähler den hervorwürgenden Abwahlreflex auslösen.

    Wir sollten erst mal sehen, was strategisch gefährlich ist, was uns schadet, und nach gehörigem Stutzen dann gucken, wie man Sachen mit Datenschutz umsetzen kann, die entsprechend geförderte Open-Source-Landschaft dazu bereitstellen, inklusive Protokollen, Datenformaten, Kompression, Verschlüsselung usw. usf. Leider hat die Politik beim Teufel dran geleckt. Erwachsen werden ist wohl irgendwie später.

  4. Einerseits will man überall den Ausweis sehen sonst wird dir das Wort abgeschnitten und hast weniger Rechte auch weniger Rechte über Erfahrungen zu reden. Andererseits sehe ich bei dem Verfahren der Verifizierung Gefahr auf persönlichen Schaden wenn man eine Meinung vertritt die den Kapitalismus kritisiert und Unternehmen direkt kritisiert. Wenn die ihr Business in Gefahr sehen und wissen wer die Person ist, wird doch niemand ernsthaft noch Kritik äußern?! Gefahr besteht vor allem bei Unternehmenskritik und lokale Politik die kritisiert wird oder sonstige Form von Sorgen die man teilt. Wie soll das gelöst werden?

  5. Einmal eine Gegenauffassung: Aus meiner Sicht ist die Wahl Spechts eine schlechte Nachricht für den Datenschutz. Denn wer seine Dissertation über Datenhandel schreibt und als Zivilrechtler nur an Kommerzialisierung von Nutzerdaten und Datenökonomie denkt (so einige Gutachten und Aussagen Spechts) , verfehlt vollständig die verfassungs- und menschenrechtliche Dimension von Datenschutz, der im Kern Vorfeldschutz für FREIHEIT ist! Nein, Specht dürfte eher eine DATENWIRTSCHAFTSBEAUFTRAGTE sein und dies ist eine schlechte Nachricht für Bürger, Nutzer und Verbraucher. Es scheint sich auch bei dieser Personalentscheidung wieder die übliche gelb-grüne Logik durchgesetzt zu haben: Die FDP bekommt in der Sache die wirtschaftspolitische Richtung, die Grünen in Sachen Wokeness und Gender ihre (viel zu) junge Frau. Der eigentliche Skandal bleiben die bekannten Umstände des Absägens und Abstrafens eines bewährten Datenschutzbeauftragten. Das Amt ist leider nachhaltig beschädigt, dennoch ist der Nachfolgerin nur alles Gute zu wünschen und vielleicht entdeckt sie doch noch ihr öffentlich-rechtliches Datenschutzherz!

    1. > Denn wer seine Dissertation über Datenhandel schreibt und als Zivilrechtler nur[??] an Kommerzialisierung von Nutzerdaten und Datenökonomie denkt (so einige Gutachten und Aussagen Spechts)

      Ein paar zitierfähige Quellenangaben wären schon hilfreich gewesen.
      Zugängliche Literatur von Specht-Riemenschneider im Netz scheint es kaum zu geben.
      Wer kann weiterhelfen?

  6. Wirklich die absolut perfekte Kandidatin für die Bundesregierung!

    Nachdem Kelber sein Amt dahingehend verstand, die Rechte auf Datenschutz und Privatsphäre der Bürger*innen vor einem überbordenden Zugriff durch Staat, Behörden und Überwachungskapitalismus zu verteidigen und deshalb unter anderem den Gesundheitsdatenverkäufer Karl Lauterbach und anderen Neoliberalen missfiel, scheint Specht-Riemenschneider das Zeug dazu zu haben, das erwünschte Gegenteil zu liefern.

    Sie scheint begeistert von der Nutzung von medizinischen Daten zu sein und Gesundheitsdatenregister für eine gute Idee zu halten, sie will möglichst alle Bereiche des Lebens digitalisiert wissen (was auch eine Kommerzialisierung und Überwachung vormals freier Lebensbereiche und eine Verdrängung analoger Alltagsbewältigung bedeutet) und sie verpackt die kommerziellen/ausbeuterischen wie autoritären Überwachungspraktiken in Narrative von Fortschritt und eine dicke Schicht Greenwashing (So wird der Klimakiller Digitalisierung einfach mal „nachhaltig“).

    Letzteres ist besonders wichtig, um Liberale und Grüne, die früher eher zu den überwachungskritischeren Teilen der Gesellschaft gehörten, erfolgreich für die Sache des Überwachungsstaats und Datenkapitalismus zu gewinnen.

    Übrigens ist „neue offene Datenkultur“ einfach eine wunderschöne Art von Wissing, um „Überwachungskapitalismus“ zu sagen.

  7. Na, das ist ja ne unschöne Bescherung. Wenn Minister schon sagen, Sie haben mir Ihr in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet und plädieren für die Aufweichung des Grundrechts „Privatsphäre“ (=ermöglichenden Datenschutz) dann ist dass für die Freiheitsrechte schlecht!
    Konkret bin ich gespannt, wie sich das Bfdi nun zum Auftritt des Kanzlers bei TikTok und WhatsApp äußert. Und schliesslich hatte ja mal das Bfdi Bundesorgane angehalten Facebook nicht zu benutzen (läuft ja gerade ne Klage). Übrigens wohl jetzt schon klar, dass Facebook weiter genutzt werden darf…Stichwort: ermöglichender Datenschutz
    Zusammenfassung: Die schleichende Erosion der „informationellen Selbstbestimmung“ geht voran! Vom Bfdi ist wohl nicht mehr viel zu Schutz zu erwarten! Spannend wird auch sein, ob die DSK sich nun anders inhaltlich positioniert und was das auf der EU-Ebene heisst…Stichwort Synergien

  8. Mit Ulrich Kelber ist es ein bisschen wie mit Freddie Mercury: Jeder Nachfolger wird anhand einer extrem hohen Messlatte beurteilt.

    Der größte Unterschied zwischen der Band „Queen“ und dem Amt des Bundesdatenschutzbeauftragten ist allerdings, dass Queen (metaphorisch formuliert) nicht vorher jahrzehntelang Logopäden als Sänger hatte, die sich zwar mit Atmen und Sprechen auskannten, aber nicht sonderlich gut singen konnten (Kelber war der erste Informatiker nach lauter Juristen und einem Volkswirt [Peter Schaar]).

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.